In meinem letzten Artikel zum Thema Customer Journey habe ich die fünf allgemeinen Phasen vorgestellt: Aufmerksamkeit, Informationsbeschaffung, Entscheidung, Nutzung und Loyalität. Über alle Phasen hinweg baut ein Unternehmen eine Beziehung zu einem Interessenten auf, die im Idealfall zur Kundenbindung führt. Eine genaue Beschreibung der Phasen und was Sie als Unternehmer in diesen Phasen erwartet, finden Sie in diesem Blogartikel.
Die Beschreibungen dieser fünf Phasen stellen nur eine sehr allgemeingültige Erläuterung der Interaktionen mit Ihren Kunden dar. Die Awareness im Unternehmen für die individuelle Customer Journey ist jedoch ein wichtiger Schritt in Richtung Kundenzufriedenheit. Denn nur, wenn Sie und Ihre Mitarbeiter sich der Customer Journey bewusst und sensibilisiert dafür sind, dass ihre eigene Tätigkeit den gesamten Prozess beeinflusst, kann ein reibungsloses Zusammenspiel der einzelnen Phasen stattfinden.
Individuelle Customer Journey
In diesem Artikel tauche ich tiefer in die Methodik der Analyse einer Customer Journey ein und beschreibe, wie und warum Unternehmen sich mit ihrer individuellen Customer Journey auseinandersetzen sollten.
Mit der allgemeinen Beschreibung der Phasen erhalten Sie einen ersten Eindruck, in welchen Stufen der Kontakt mit Interessenten aufgebaut werden kann und wie hieraus ein treuer Kunde entstehen kann. Da die meisten Unternehmen sich branchenübergreifend unterscheiden, teilweise selbst innerhalb einer Branche, sollte genau geprüft werden, welche Phasen für das eigene Unternehmen relevant sind.
Um hieraus die eigene Customer Journey abzubilden, empfiehlt sich die folgende Vorgehensweise:
Schritt 1 – Phasenidentifizierung
Welche Phasen einer Customer Journey sind für mein Unternehmen relevant? Dabei ist es wichtig zu betrachten, ob Sie die Customer Journey im B2C oder B2B betrachten. Bin ich z.B. ein Anbieter von Mehl, dann werde ich im Rahmen der Betrachtung der Customer Journey für den Endkunden die Phase „Aufmerksamkeit“ nicht vorfinden. Hier werde ich keine Werbung zur Bedürfnisweckung machen. Allerdings ist die Phase „Aufmerksamkeit“ unter der Betrachtung B2B vorhanden, da ich Einzelhändler als Weiterverkäufer gewinnen möchte.
Schon auf dieser Ebene wird ersichtlich, wie individuell eine Customer Journey für jedes Unternehmen und jedes Produkt sein wird.
Schritt 2 – Aktivitätenidentifizierung
Bei dieser Überlegung geht es darum, dass ich herausfinde, welche Aktivitäten sowohl von mir als Unternehmen, als auch von einem Interessenten/Kunden stattfinden, um zu einem positiven Abschluss dieser Phase zu kommen. Gerade die Identifizierung der Aktivitäten auf Kundenseite erfordert ein gutes Verständnis der Customer Experience-Sicht, um die Erwartungshaltungen nachzuvollziehen und ihre Handlungen zu prognostizieren.
Schritt 3 – Prozessidentifizierung
Nachdem ich die Aktivitäten identifiziert habe und mir über die Erwartungen meiner Interessenten/ Kunden im Klaren bin, kann ich mich mit den Prozessen auseinandersetzen und überprüfen, ob die Prozesse richtig aufgestellt sind. Hier geht es darum, jede Aktivität in ihre Einzelteile aufzusplitten und festzulegen, aus welchen Prozessen diese Aktivität besteht.
Nehmen wir als Beispiel den Einkauf eines Kunden im Supermarkt. Dabei wäre die Aktivität aus Sicht des Kunden „Lebensmittel einkaufen“. Splitte ich diese Aktivität jetzt in einzelne Prozesse auf, dann habe ich *Einkaufswagen holen*, *Ware aussuchen*, *Ware bezahlen*, *Ware verpacken* und *Einkaufswagen wegbringen*. Aus Sicht des Supermarktes habe ich die Aktivität „Kunde kauft Lebensmittel“. Hier finde ich die Prozesse *Ware im Lager holen*, *Ware im Regal platzieren*, *Einkaufswagen bereitstellen*, *Kassiervorgang* usw.
Durch die Detailansicht der Prozesse erkenne ich, wo Notwendigkeiten für einen Informationsaustausch und Interaktionen besteht und ob alle Prozesse vollständig identifiziert wurden. Und darüber hinaus, ob ich alle identifizierten Prozesse auch implementiert habe. Hiervon kann ich meine Handlungsfelder ableiten.
Schritt 4 – Phasen- und Prozessinteraktion
Ich habe häufig in Projekten festgestellt, dass Firmen bei der Erstellung ihrer Customer Journey die Interaktionen innerhalb der Journey – also die Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Phasen und Prozessen – unbeachtet gelassen haben. Das kann nicht nur teuer für das Unternehmen werden, sondern auch zur Unzufriedenheit ihrer Kunden führen.
Was genau ist mit der Interaktion gemeint? Es geht um das Zusammenspiel der verschiedensten Bereiche in einem Unternehmen. Informationen, die relevant sind, um das gemeinsame Ziel einer exzellenten Customer Journey zu erreichen, müssen in jedem Bereich verfügbar sein, wo sie benötigt werden.
Zum besseren Verständnis auch hier ein kurzes Beispiel für ein phasenübergreifendes Informationsdefizit: Stellen wir uns vor, dass die Marketing-Abteilung für die Phase Aufmerksamkeit eine Werbung schaltet, dass Altgeräte beim Kauf und der Lieferung von neuen Geräten kostenfrei mitgenommen werden. Dann muss diese Information auch in der Logistik des Unternehmens, oder beim externen Lieferanten ankommen. Ist das nicht der Fall, würde das Altgerät abgelehnt und der Kunde würde eine nachgelagerte Reklamation eröffnen. Ein Beispiel für ein prozessübergreifendes Informationsdefizit innerhalb einer Phase wären vorgegebene Zeitfenster des Kunden, die beim Vertragsabschluss angegeben wurden und in denen eine Lieferung stattfinden darf. Wenn diese nicht bei der Logistik ankommen, führt das zu Wiederholungsanfahrten und zu Lieferverzögerungen durch Fehlplanungen.
Diese Beispiele sollen verdeutlichen, dass Phasen und Prozesse nicht isoliert betrachtet werden dürfen, sondern auch Abläufe für das Zusammenspiel definiert werden müssen.
Bewusstsein entwickeln
Wenn die individuelle Customer Journey bekannt ist, dann sollten alle, die an dieser Journey beteiligt sind, ein Bewusstsein dafür entwickeln, welchen Anteil sie an der erfolgreichen Umsetzung haben. Ein Verständnis für die Phasen und die damit einhergehenden Aktivitäten sollte übergreifend aufgebaut werden. Somit wird allen Beteiligten klar, welchen Einfluss die eigene Tätigkeit auf die gesamte Customer Journey hat.
Daher empfehle ich zusätzlich zu den obigen vier Schritten zur Identifizierung der Customer Journey, noch einen weiteren Schritt, damit die Customer Journey gelebt wird.
Schritt 5 – Mitarbeiter Awareness
Das obige Beispiel der Altgeräte-Entsorgung ist symptomatisch dafür, dass Mitarbeiter nur bis zu ihrer „Arbeitsgrenze“ denken und darauf vertrauen, dass sich jemand anderes um die Verarbeitung der Information kümmert. Doch wer ist dieser andere? Entweder schaffe ich es als Führungskraft, klare Verantwortlichkeiten zuzuweisen – dann darf wirklich jeder blind darauf vertrauen – oder aber, ich baue das Verständnis auf, dass sich jeder als Eigentümer der Information fühlt, bis die Eigentümerschaft sicher übergeben wurde.
Wichtig ist es, Verständnis füreinander und die einzelnen Phasen der Customer Journey zu erzeugen. Dies lässt sich über viele Wege schaffen, die im Rahmen von Mitarbeiterentwicklungen umgesetzt werden können. Für die Customer Journey ist es ein interessanter Weg, die Prozessabläufe mit einer Mischung aus Mitarbeitern der verschiedensten Fachbereiche gemeinsam zu besprechen.
Ein schönes positives Beispiel, was aus einem gemeinsamen Verständnis entstehen kann, konnte ich bei einer meiner Schulungen erleben. Bei der Betrachtung der Lieferprozesse kam ein Hinweis darauf, dass die Monteure immer wieder vor die Herausforderung gestellt werden, dass neue Technologie eingeführt wird und sie diese erst dann kennen lernen, wenn sie beim Kunden zum ersten Mal montiert werden sollen. Darauf war die Antwort aus dem Einkauf: „Ach, hätte ich das gewusst. Ich kann euch doch vorab die Beschreibungen zukommen lassen, sobald ich sie eingekauft habe.“ Die Herausforderung der Monteure wurde somit in einem Gespräch gelöst. Die Montage verläuft dadurch reibungslos und dem Kunden wird keine unnötige Zeit geraubt.
Diese Herausforderungen, die immer wieder zur Unzufriedenheit von Interessenten/ Kunden führen und auch unnötige Kosten für die Unternehmen verursachen, könnten sich immer wieder recht einfach eliminieren lassen: durch gemeinsames Verständnis.
Daher ist es besonders wichtig, auf allen Arbeitsebenen „Bewusstsein zu entwickeln = mir meiner Handlungen und die Auswirkungen auf andere bewusst zu sein“.
(Un)Regelmäßige Validierung
Wichtig für Ihre Customer Journey ist, dass Sie diese auch (un)regelmäßig neu bewerten, da sich die Rahmenbedingungen sowohl auf dem Markt, als auch in Ihrem Unternehmen verändern. Neue Erwartungshaltungen der Kunden an Kommunikationskanäle und an Geschwindigkeit werden Ihnen begegnen. Auf Unternehmensseite können Sie neue Technologie einsetzen oder neue Kommunikationskanäle nutzen. Zudem verändert sich Ihre Bekanntheit auf dem Markt und die Notwendigkeiten der Aktivitäten in der Phase „Aufmerksamkeit“ verändern sich damit.
Das waren nur einige Beispiele für die Veränderungen, die analysiert werden sollten und auf die Sie angemessen reagieren müssen.
Fazit
Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesem Artikel ein Gefühl vermitteln konnte, warum die Kenntnis über die eigene ganz individuelle Customer Journey wichtig ist. Dieses Wissen wird Ihnen helfen, die Kunden langfristig an sich zu binden, die Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit zu erhöhen und unnötige Kosten zu vermeiden. Mit der detaillierten Kenntnis über Ihre Prozesse, haben Sie darüber hinaus die Möglichkeit, Einsparpotentiale durch Optimierungen und (Teil-)Automatisierungen zu realisieren.
Gerne helfen wir Ihnen bei der Darstellung ihrer individuellen Customer Journey, kontaktieren Sie uns für ein Erstgespräch.
Autor: Klaus Carnein
Lesen Sie weiter, im nächsten Artikel geht es um die Customer Journey Spezifikation.